Sonderziehungsrechte, Geldschöpfung und Gold

In Teil 1 meines Artikels „Alternativen zum FIAT-Money-System“ habe ich mit Bancor, Terra und der Sektoralwährung Saber Währungen vorgestellt, die ein Wirtschaftssystem ohne Zinsezins-Effekt und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Wachstumszwang ermöglichen.

In Teil 2 und 3 möchte ich mich mit zwei Vorschlägen beschäftigen, die ebenfalls intensiv diskutiert werden: Erstens mit den Sonderziehungsrechten (SZR) des internationalen Währungsfonds (IWF) und zweitens mit der Frage, ob eine Rückkehr zum Goldstandard oder einer Goldkernwährung sinnvoll wäre. 

Die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF)

Sonderziehungsrechte (SZR) ist ein komisches Wort für Geld. Doch tatsächlich sind die SZR eine künstliche Währungseinheit, die vom IWF bereits Ende der sechziger Jahre eingeführt wurde. Das Besondere an den SZR ist, dass dieses
Kunstgeld nicht an den internationalen Devisenmärkten gehandelt werden kann.
Grundlage der SZR ist ein Währungskorb der weltweit wichtigsten Währungen (US$, Euro, Yen und das britische Pfund). Die Wechselkurse zu den Nationalwährungen werden täglich neu festgelegt, und SZR zählen zu den Währungsreserven der Staaten. SZR dienen ausschließlich dazu, den Mitgliedsländern des IWF zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, wenn diese benötigt wird. Zahlungen zwischen einzelnen Mitgliedsländern können in SZR erfolgen und müssen vom Gläubigerland akzeptiert werden.

Die Sonderziehungsrechte werden selbst innerhalb der EZB als problematisch angesehen. So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am 7. April 2009 unter der Überschrift „Stark (EZB) übt Kritik an IWF-Mittelaufstockung“:

Berlin (Reuters) - Der G20-Beschluss zur Mittelaufstockung beim Internationalen Währungsfonds (IWF) wird von EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark kritisiert.

"Das ist reine Geldschöpfung. Das ist Helikopter-Geld für den Globus", sagte Stark dem "Handelsblatt" (Dienstagausgabe) zur Aufstockung der IWF-Sonderziehungsrechte (SZR). "Es hat keine Prüfung darüber gegeben, ob es einen globalen Bedarf an zusätzlicher Liquidität überhaupt gibt." Früher habe man sich viel Zeit genommen, um so etwas zu prüfen.

Der G20-Gipfel hatte Mitte der Woche eine Verdreifachung der Mittelausstattung des IWF beschlossen. Mit dem Geld soll den von der Wirtschaftskrise besonders betroffenen Ländern geholfen werden.
Quelle: http://de.reuters.com/article/economicsNews/idDEBEE53602P20090407

Vielleicht ahnen Sie es schon: Natürlich verlangt der IWF von den Staaten Zinsen für die zugeteilten Sonderziehungsrechte. Würden die SZR den US$ als Weltreservewährung ablösen, würde sich am bestehenden Zinseszins-System nichts ändern, außer dass die Welt etwas unabhängiger vom Federal Reserve System der USA wäre (der US$ hat einen Anteil von 44% am Währungskorb), was vor allem China begrüßen würde. Bedingung wäre aber sicherlich, dass auch der chinesische Rénmínbì, andere asiatische Währungen und der Rubel Teil des Währungskorbes werden. Falls es dazu kommen sollte, dass die Sonderziehungsrechte neue Weltreservewährung werden, darf man gespannt sein, welche Institution das Recht zum Geldschöpfen (-drucken) bekommen wird.

Es besteht meiner Meinung nach eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sein wird. Sie ist zwar eine internationale Organisation und gilt als Zentralbank der Notenbanken, doch sollte es nicht verwundern, dass auch diese Bank als Aktiengesellschaft eine private Institution ist. Übrigens ist der ehemalige, oberste Notenbanker Spaniens Jaime Caruana seit dem 1. April 2009 Generaldirektor der BIZ. Caruana führte Spaniens Notenbank bis 2006 und arbeitete bis März 2009 für den IWF in Washington.

Das große Geheimnis: Die Geldschöpfung durch die Banken

An diesem Punkt sind wir bei einer sehr bedeutenden Frage angekommen. Wie kann es eigentlich sein und wie kam es dazu, dass die Staaten das Recht zur Geldschöpfung in die Hände privater Geldinstitute abgaben?

Zunächst möchte ich bemerken, dass selbst in Fachkreisen auch heute noch darüber diskutiert wird, ob Geschäftsbanken überhaupt Geld schöpfen können. Dieser Streit ist darauf zurückzuführen, dass der Begriff Geld an sich nicht klar definiert ist. Manche Ökonomen zählen selbst Aktien zum Geldvermögen, mit der Begründung, dass man sie jederzeit verkaufen könne. Doch wo liegt der Unterschied zu den Brötchen, die jeden morgen beim Bäcker reißenden Absatz finden? Sind Brötchen auch Geld?

Richtig ist: Geschäftsbanken können kein Zentralbankgeld, also unser gesetzliches Zahlungsmittel (Geldscheine) aus dem Nichts schöpfen. Sie können aber durchaus - durch die Vergabe eines Kredites - einen Anspruch auf Auszahlung von Zentralbankgeld schaffen. Heutzutage können wir durch den in den letzten 30 - 40 Jahren entwickelten elektronischen Zahlungsverkehr (EC-, Kreditkarten, Online-Banking, etc.) mit der Übertragung von Ansprüchen auf Zentralbankgeld bezahlen. Für die Geschäftsbanken ist die Entwicklung des bargeldlosen elektronischen Zahlungsverkehrs ein immenser Vorteil und wurde dementsprechend stark vorangetrieben. (In den Niederlanden gibt es zur Zeit Vorschläge von Banken, Bargeld ganz abzuschaffen.) Es hat die Geschäftsbanken in die Lage gebracht, 90% - 95% eines Zahlungsmittels zu schöpfen, das wie Zentralbankgeld (Bargeld) genutzt werden kann. Der Vorteil liegt darin, dass dadurch auch der größte Teil der Zinseinnahmen, auch Geldschöpfungsgewinn oder Seignorage genannt, den Privatbanken zufließt.

Um zu verstehen, wie es möglich ist, dass Privatbanken durch die Erzeugung von elektronischen Computerzahlen auf Bildschirmen, einen nicht unerheblichen Teil der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung abschöpfen können, muss man sich mit der Geschichte des Geldes beschäftigen.

Wie Ihnen sicher schon bekannt ist, waren die ersten Banknoten Nachweise für die Hinterlegung von Gold bei einer Bank. Für die Hinterlegung des Goldes wurden zwar Aufbewahrungsgebühren erhoben, doch war es für die Händler sehr viel sicherer, mit einer Hinterlegungsquittung für Gold durch die Lande zu reisen, als mit einer Kiste voller Goldmünzen. Mit der Zeit entwickelte sich immer mehr Vertrauen in die Banknoten, und anstatt das Gold von den Banken abzuziehen, gaben die Händler einfach die Hinterlegungsquittungen weiter. Von der Goldeinlösegarantie wurde immer weniger Gebrauch gemacht. Die Tresore der Banken quollen über mit Gold, von dem immer weniger verlangt wurde.

Die Banken kamen auf eine Idee: Warum sollte man das überschüssige Gold nicht einfach weiter verleihen? Über die Tatsache, dass man gar nicht Eigentümer des Goldes war, wurde großzügig hinweggesehen. Das ist ungefähr so, als wenn Sie ihr Auto in ein Parkhaus bringen, um bei Abholung des Fahrzeugs festzustellen, dass der Parkhausbetreiber zwischenzeitlich eine Autovermietung gegründet hat, um Ihr Auto an jemanden zu verleihen, während Sie ahnungslos in der City bummeln.

Man kam aber auf eine noch bessere Idee. Man verlieh nicht das Gold weiter, sondern benutzte das verbliebene Überschussgold einfach als Grundlage für das weitere Drucken von Banknoten. Da die Bankiers wußten, dass nur ca. 20% - 30% des Goldes auch wirklich abgeholt wurde, konnte man für die verbleibenden 70% - 80% weitere Banknoten in Umlauf bringen. Für 1 kg eingelagertes Gold konnte man somit Banknoten im Gegenwert von 3kg bis 4kg in Umlauf bringen. Ein System, das nur funktionieren kann, so lange bei den Bankkunden das Vertrauen besteht, für die Banknoten jederzeit Gold zu bekommen.

Irgendwann hatte man dann den Einfall, dass für die Schöpfung von Banknoten gar keine Deckung durch Gold oder andere Werte erforderlich sei. Man schöpfte Geld nach Bedarf. Grundsätzlich bedarf es nur eines mehr oder weniger kreditwürdigen Schuldners, um Kreditgeld zu schöpfen, welches genauso verwendet werden kann, wie das von Notenbanken erzeugte gesetzliche Zahlungsmittel. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in den klassischen Wirtschaftstheorien, die auch heute noch herangezogen werden, Geld behandelt wird, als bezahle man immer noch mit Gold- und Silbermünzen oder würde sich in einem goldgedeckten Papiergeldsystem befinden. Man tut immer noch so, als sei das Sparen Grundlage von Investitionen. Davon kann heutzutage keine Rede mehr sein.

Das System der reinen Papiergeldschöpfung besteht übrigens schon sehr viel länger, als den meisten Menschen bekannt ist. Schon Ende des 17. Jahrhunderts wurde mit der Bank of England (BoE) die erste Privatbank gegründet. König Wilhelm III., der sich in akuter Geld-Gold-Not befand, übertrug das Recht zur Geldschöpfung dem Gründer der Bank William Patterson. Dieser gab Aktien aus, schaffte Goldreserven an und brachte fortan - auf Grundlage seiner Goldreserven – ein Vielfaches an Papierbanknoten und verzinsten Krediten in Umlauf. Der König war auch glücklich, denn ihm flossen neue Gelder zu, wofür er allerdings Zinsen bezahlen musste. Die Öffentlichkeit erfuhr kaum etwas davon. Unter anderem wurde die Privatisierung des Geldes dadurch verschleiert, dass man auf den Banknoten Bilder des Königs sah, was suggerieren sollte, es handele sich immer noch um Geld, das durch den englischen Staat herausgegeben wurde.

Man kann es kaum glauben und es ist absurd: Die Staaten haben das Recht zur Geldschöpfung in die Hände weniger Privatleute abgegeben und benötigtes Geld für Investitionen kann nur noch über Kredit, Schuld und wachsende Staatsverschuldungen in den Wirtschaftskreislauf gelangen. Eine Rückzahlung der Staatsschulden durch die Staatsbürger (Kommt das Wort Bürger eigentlich von bürgen?) ist in einem solchen Zins-Kreditgeld-System überhaupt nicht möglich, weil ansonsten durch Geldmangel eine sofortige Deflation einsetzen würde.

Die Zeit ist reif, dieses System zu ändern.

Teil 3: Würde eine Rückkehr zum Goldstandard die heutigen Probleme des Weltfinanzsystems lösen?

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